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Des Erinnerns wert Caritas Pirckheimer (1467-1532), Äbtissin, Bücherliebhaberin und Briefpartnerin berühmter Humanisten

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Im vergangenen Jahr lud der Bundesverband des Deutschen Evangelischen Frauenbundes zur Mitglie­derversammlung mit Vorstandswahl, die dann coronabedingt ausfallen musste, nach Nürnberg ins Caritas-Pirckheimer-Haus ein.

Dort kennt wohl jede(r) die berühmte Patrizierfamilie und weiß, dass der Humanist Konrad Celtis ihr Haus eine gastliche Herberge der gelehrten Welt nannte. Willibald Pirckheimer, der jüngere Bruder von Caritas, hatte die umfangreiche Bibliothek, deren Grundstock bereits vom humanistisch gebildeten Großvater angelegt worden war, geerbt und ebenso wie sein Vater ständig vermehrt. Gemäß seines Exlibris 'sibi et amici' (für sich und Freunde) lieh er daraus großzügig Bücher und Handschriften aus. So auch an seine Schwestern, die nach der Tradition der Nürnberger Patrizier im Hauskloster der Klarissinnen ausgebildet worden waren. Von den acht Töchtern wurden sieben Nonnen, vier später Äbtissinnen. Aus den an den Bruder gerichteten und von ihm verwahrten Briefen wissen wir, dass er sie mit Texten der unterschiedlichen Lager in der Reformationszeit ver­sorgte. Und Caritas las auch die Publikationen der Befürworter der Reformbewegung, um – wie sie argumentierte - ihre ablehnende Haltung begründen zu können. Eigentlich war es den Frauen verboten dies zu tun, aber die Äbtissin setzte sich darüber hinweg, ebenso wie sie sich durch die Franziskaner nicht verbieten ließ mit Gelehrten auf Latein zu korrespondieren.

Geboren wurde sie als Barbara Pirckheimer am 21. März 1467 in Eichstädt, erhielt früh zusammen mit ihrem Bruder Lateinunterricht vom Vater, Dr. Johannes Pirckheimer, einem in Italien ausgebildeten Juristen, der als Bischöflicher Rat tätig war. Ab 1478 vom Großvater - auch er hatte in Italien Jura studiert - in Nürnberg und ab 1478 im Klarissenkloster St. Klara. Früh entschied sie sich Chorschwester zu werden, was dort nicht zwingend erforderlich war, aber ihrem Wunsch entsprach. Mit Ablegung der Profess nahm sie den Namen Caritas an. Von 1503 bis zu ihrem Tod 1532 war sie dort Äbtissin und galt als 'schier uber weiblich art gelehrt'. Ihre lateinischen Briefe galten bereits zu ihren Lebzeiten als besonders kunstvoll und wurden teilweise publiziert.

Noch als Novizenmeisterin schrieb sie 1502 an den Bruder – natürlich auf Latein. „Das Buch des Heiligen Hieronymus möchte ich, wenn es recht ist, länger behalten. Es dünkt mir, wenn ich seine so sehr schönen Sendschreiben lese, dass ich einen überaus köstlichen Schatz gefunden habe. Sie veranlassen mich, ihn vor allen Heiligen zu lieben. Durch seine vielfältigen Schriften und Arbeiten hat er in der Kirche großen Nutzen gestiftet. Den geistlichen Jungfrauen ist er ein so aufmerksamer, besonderer Freund gewesen, dass er auf ihre Bitten hin den größten Teil der Heiligen Schrift aus der hebräischen Sprache in die lateinische übersetzt hat. … In ihnen haben wir reiche Erquickung und einen Schatz des Lebens sowie den Ausdruck göttlichen Heils gefunden.“

Als der Bruder ihr 1513 ein Exemplar seiner Über­setzung von Plutarch aus dem Griechischen ins Lateinische zukommen ließ, in dessen Vorwort er die Schwester lobend erwähnte, bedankte sie sich und verwies auf das, was sie mit ihrem Professnamen verband. „Scham und Verwirrung bedecken mein Antlitz, in der Furcht, Du könntest höher von mir denken, als ich es verdiene. Denn, wie Du selbst weißt, bin ich ja nicht eine Gelehrte, sondern bloß eine Freundin gelehrter Männer; ich bin keine Kennerin der Literatur, sondern freue mich nur, die Reden von Autoren zu hören und zu lesen. Deshalb erkenne ich mich unwürdig eines solchen Geschenkes, obwohl um die Wahrheit zu sagen, Du recht wohl getan hast, einem so trefflichen Werk den Namen Caritas voran zu setzen. Denn Caritas ist ja die mitteilende Tugend, die alle Güter gemeinsam macht. Jene Caritas also, die der Heilige Geist selbst ist, erstatte Dir unvergänglichen Dank hier und im künftigen Leben, wo herrliche Freude für irdische Taten sein wird.“

Als in Nürnberg, wo es viele Anhänger Luthers gab, 1525 die Reformation eingeführt wurde und den Klöstern die Auflösung drohte, kämpfte Caritas Pirckheimer entschieden für den Erhalt des Klaris­senklosters und wie sie in den 'Denkwürdigkeiten' - jener Chronik über die Geschichte und Geschicke des Hauses - dokumentierte, mit vielen Eingaben und Darlegungen auch ihre Haltung ganz deutlich wird. So forderte sie jene von Luther proklamierte Gewissensentscheidung auch für die Nonnen, die sich als Braut Christi an den gegebenen Eid gebun­den sahen. Ferner sei die Klostergemeinschaft ihre Familie und sie als Äbtissin trage die mütterliche Verantwortung für die Nonnen, die zum Teil bereits in vorgerücktem Alter seien. Erreichen konnte sie zumindest, dass die Schließung zunächst nicht statt­fand. Doch da man keine Novizen mehr aufnehmen durfte, gehörte es zu den sogenannten Aussterbe­klöstern. Dies trat hier beim Tod der letzten Nonne 1590 ein.

Vor Angriffen der Gegenseite war man auch hinter Klostermauern nicht geschützt. Als Unkraut, das zu vernichten sei, als Vogel, der seine satanischen Eier ausbrüte und dann in ihren Briefen verbreite, beschimpften die reformatorischen Prediger sie von den Kanzeln in Nürnberger Kirchen.

Aber es gab auch Unterstützer und Förderer. Zu diesen gehörte der Humanist Konrad Celtis, der 1493 das Werk der Hrotsvitha von Gandersheim wieder­entdeckt und publiziert hatte. In ihren Heiligenlegen­den hatte die Dichterin - in der Tradition des Kirchen­vaters Hieronymus - das Leben junger Märtyrerinnen beschrieben, die allen Versuchungen widerstanden, um ihre Jungfräulichkeit nicht zu verlieren. Ehe­frauen, Mütter und Witwen sah man in der Nachfolge der sündigen Eva, Jungfrauen hingegen galten als rein und standen der Gottesmutter Maria nah. Konrad Celtis sah in Caritas wohl nicht zu Unrecht eine Nachfolgerin der mittelalterlichen Dichterin. In einem Brief an ihn charakterisiert Caritas ihr weib­liches Vorbild und damit auch sich selbst, zeigt uns aber auch in Celtis einen vom Humanismus in Italien geschulten Gelehrten. Dort gab es zahlreiche hoch­gebildete Frauen schon seit der Renaissance. „Zu preisen ist in Wahrheit der gütige Geist, dessen Gnade jenes jungfräuliche Genie mit solchem Glanz der Wissenschaft und des Fleißes schmückte und verherr­lichte.  … Ihr (Celtis) verachtet also nicht das schwache Geschlecht, noch den niederen Stand einer armen Nonne. Ich kann es nicht verschweigen: Ihr habt hier gegen die Gewohnheit vieler Gelehrter, vielmehr Hochmütigen, gehandelt, die sich fälschlich erheben und alle Worte, Handlungen und Darstellungen der Frauen so sehr gering schätzen, als hätten nicht beide Geschlechter einen Schöpfer, Erlöser und Seligmacher, und die nicht wahrnehmen, dass die Hand des Höchsten Künstlers bisher noch nicht verkürzt ist. Er hat den Schlüssel der Wissenschaft, teilt den Einzelnen mit wie Er will, denn Er sieht nicht auf die Person.“

Welch ein Stolz, welch eine emanzipierte Position wird hier bezogen, die anderseits aber auch Demut zeigt. Der Wahlspruch der Familie Pirckheimer -  Man lebt durch die Kraft des Geistes, alles übrige ist dem Tod verfallen – prägte und galt ganz offensichtlich auch für die weiblichen Familienmitglieder, jedenfalls für die Äbtissin Caritas, und findet in dem nach ihr benannten Haus seine Fortsetzung in der Gegenwart.

Halgard Kuhn

 

Bildquelle:

Joachim Schäfer - Ökumenisches Heiligenlexikon
https://www.heiligenlexikon.de/BiographienC/Charitas_Pirkheimer.html

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Caritas Pirkheimer, Bildquelle: Joachim Schäfer - Ökumenisches Heiligenlexikon
Caritas' ehemaliges Grab an der St. Klara Kirche in Nürnberg