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SPRUCH des Monats April

|   Besinnung

Maria von Magdala geht und verkündigt den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen und das hat er zu mir gesagt.

Joh. 20,18

Passionszeit – in diesem Jahr nicht nur ein spirituelles Mitgehen des Leidensweges Jesu durch Verrat, Verleugnung, falscher Anklage, Folter und Verspottung bis hin zu seinem Tod am Kreuz. PASSION, Leiden geschieht in unserer unmittelbaren Nachbarschaft und mitten unter uns.

In der Ukraine herrscht Krieg. Menschen werden getötet. Soldaten, deren Tod wir nicht gezeigt bekommen, und Zivilisten, deren unschuldiges Sterben uns Tag für Tag in den Nachrichten vor Augen geführt wird. Darunter Kinder, schwangere Frauen, Tote, die aus den Trümmern geborgen werden, und Tote, die auf der Straße liegen bleiben, weil man sie unter dem ständigen Beschuss der Bomben nicht bergen und nicht beerdigen kann. Unfassbares Leid!
Täglich sehen wir Bilder der Zerstörung in ukrainischen Städten. Wo Menschen gerade noch gewohnt und ihren Alltag gelebt haben, eine Trümmerwüste!
Fassungslos stehen wir davor, dass Putin dazu den Befehl gegeben hat, dass er diesen Krieg angefangen hat und das gesamte hoch sensible Weltgefüge in seinen Grundfesten erschüttert. Wir haben es nicht für möglich gehalten, einen solchen Krieg hier auf europäischem Boden noch einmal zu erleben. War nicht in den beiden vergangenen Weltkriegen genug Blut geflossen? Genug Zerstörung angerichtet worden, samt Völkermord, Flucht und Vertreibung, deren Narben und Traumata viele Menschen bis heute spüren?! Und darunter leiden.
Und nun tobt sich ein wütender Mann, der die Macht dazu hat, an seinen Nachbarn mit seinem Militär und seinen Waffen aus, träumt seine Großmachts-Fantasien und bombardiert in blinder Wut Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen und Wohnviertel, lässt gezielt Menschen abknallen, die auf der Flucht sind, und behauptet, mit diesem Kriegsgemetzel Brüder und Freunde zu befreien!

Wie soll da die in ihrem Herzen aufgewühlte Maria Magdalena mit ihrer Osterbotschaft Gehör finden? Sie kommt vom Grab Jesu und ruft ihren Brüdern zu: „Ich habe den Herrn gesehen! Und das soll ich euch sagen: Er geht zu seinem Vater. Das ist auch unser Vater. Zu seinem Gott, und der ist auch unser Gott.“

In diesem Monat feiern wir Ostern, das Fest des Lebens. Alle Gewalt dieser Welt hat ihre Grenze in der Macht Gottes, das Leben zu bewahren – durch den Tod hindurch und über den Tod hinaus. Die Knospe, die den Winter mit seiner Kälte, mit Frost und Schnee überstanden hat, blüht im Frühling auf. Die kahlen Äste sind nicht tot. Sie werden wieder grünen und Früchte tragen. So ist auch die Hoffnung auf die neue Welt, mit der Maria Jesus gefolgt war, mit seinem Tod nicht begraben. An Ostern blüht sie von neuem auf, die Hoffnung auf eine Welt, in der gilt, was wahr ist. Die Hoffnung auf ein Leben, in dem es gerecht zugeht und in dem Freiheit, Frieden, Vertrauen, das Recht und die Mitmenschlichkeit die höchsten Güter sind. Maria ruft es ihren Brüdern zu: „Ich habe den Herrn gesehen! Er lebt. Sein Geist ist mitten unter uns!“

Das gilt auch im März und April dieses Jahres! Denn unter all den Schreckensbildern sind auch Hoffnungszeichen zu sehen. Wir müssen sie nur erkennen.
Da ist dieser mutige kleine Mann, Präsident Wolodymyr Selenskyj, der dem mächtigen Kremlchef Putin die Stirn bietet und für die Freiheit seines Volkes kämpft, selbst zu bestimmen, wie es leben will. Er flieht nicht ins Ausland und überlässt sein Volk nicht allein seinem Schicksal. Er bleibt, auch wenn es sein Leben kosten sollte. Und er fordert Solidarität ein von den Ländern des Westens, von uns, redet den Parlamenten ins Gewissen und legt gezielt den Finger auf unsere Wunden. Bittet um Hilfe, denn „wir kämpfen auch für eure Freiheit!“ Was für ein Mut, was für ein Lebenswille, sich in tödlicher Gefahr nicht zu verstecken, sondern sich in aller Offenheit zur Zielscheibe zu machen. Aber auch zum Hoffnungszeichen!

Maria bringt die Osterbotschaft zu den Jüngern, die sich hinter verschlossenen Türen verbarrikadiert haben und fürchten, dass draußen auch auf sie der Tod wartet. „Ich habe den Herrn gesehen!“
Sollte da draußen doch noch ein Leben auf sie warten?
In der U-Bahn in Kiew haben die Menschen Zuflucht gesucht vor den Bomben. Seit Tagen harren sie in der Kälte auf dem harten Boden aus. Nur das Nötigste haben sie bei sich. Da tönt durch den Gang und in die verstörten Seelen Musik. Ein Mädchen hat seine Geige mitgenommen. Die Bomben sollen sie nicht zerstören. Es hat die Geige ausgepackt und spielt. Musik, die friedlichste Sprache der Welt; die Sprache, die alle verstehen, die keine Übersetzung braucht; die Sprache, die das Herz und die Seele berührt. Wir wollen leben. Wir wollen den Kriegslärm nicht mehr hören, die Sirenen, die Explosionen, die Schreie der Verletzten, das Weinen der Kinder, die das alles nicht verstehen, was geschieht.
Danke, Mädchen, dass du deine Geige mitgenommen hast! Und Respekt, ihr Männer und Frauen in der Ukraine, wie ihr euch Mut macht in eurem Kampf, indem ihr gemeinsam eure Nationalhymne singt! Musik gegen die Sprache der Gewalt.

Und noch eine Osterszene aus diesem Krieg, ein Bild, das man nicht vergisst. Russische Panzer rollen in ein Wohngebiet. Die Menschen laufen nicht weg, verstecken sich nicht. Sie laufen auf die Straße. Sie rufen den Soldaten entgegen: „Geht heim! Was wollt ihr hier? Wir sind doch eure Brüder!“ Einer der Männer stellt sich vor den Panzer. Mehr noch: Er legt sich vor dem Panzer platt auf die Straße. Und - Putins Soldat überrollt den Mann nicht!
Es fällt schwer, den zu töten, in dem man den Bruder erkennt und nicht mehr den Feind sieht. Das hat Jesus mit seinem Leben doch gewollt, dass wir erkennen: Wir sind Brüder und Schwestern, wir Menschen, Kinder unseres himmlischen Vaters, egal, zu welchem Volk, zu welcher Rasse, zu welchem Geschlecht oder Stand wir gehören. Wenn wir das sähen und lebten, dürfte es keinen Krieg geben. Nicht diesen und auch all die anderen nicht, die es seit jenem Ostermorgen gegeben hat.

Vielleicht singen auch wir uns in diesem Jahr die Osterbotschaft in der gegenwärtigen Situation mit neuer Kraft zu: Als Mut-mach-Lied, als festes Bekenntnis zu dem, der uns allen das Leben geschenkt hat und es uns bewahren will über Schuld, Bedrohung, Verzweiflung und selbst über den Tod hinaus. Weil Christus unser Friede und unser Leben ist:
Christ ist erstanden von der Marter alle;
des solln wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein.
Kyrieleis.
Wär er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen;
seit dass er erstanden ist, so lobn wir den Vater Jesu Christ.
Kyrieleis.

Ulrike Börsch

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Jacob Cornelisz van Oostsanen: Christus erscheint Maria Magdalena als Gärtner, 1507, Staatliche Museen in Kassel; Quelle: Joachim Schäfer - Ökumenisches Heiligenlexikon