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SPRUCH des Monats Januar

|   Besinnung

Jahreslosung 2020

Ich glaube; hilf meinem Unglauben! Markus 9, 24

 

Was auf den ersten Blick wie ein Widerspruch aussieht, ist m.E. einer der wahrsten Sätze der Bibel.

Da ist ein Mann (in Markus 9 ist es der Vater eines epileptischen Sohnes), der dürfte schon einiges versucht haben, die Krankheit seines Sohnes heilen zu lassen. Wie es aussieht, steht er gerade inmitten einer Gruppe von Menschen, in der sich auch ein paar Jesus-Jünger befinden, die wiederum in einen Disput mit Schriftgelehrten verwickelt sind.

Jesus und drei seiner Jünger, die nicht in der Gruppe waren, treten hinzu, die Menschenmenge stürmt auf Jesus zu und dieser fragt nach dem Grund des Streites zwischen Jüngern und Schriftgelehrten.

Unvermittelt äußert sich besagter Mann gegenüber Jesus und erzählt ihm von einem bösen Geist, den sein Sohn schon seit Kindertagen in sich trage. Er habe die Jünger gebeten, ihn auszutreiben, was ihnen aber nicht gelungen sei.

Jesu Reaktion wirkt, als verstünde er nicht, dass in seinem Namen so wenig ausgerichtet werde: Wie lange soll ich bei euch sein und euch ertragen, lautet seine zornige Frage. Und doch lässt er sich erweichen und bringt selber den Geist des Sohnes jenes Mannes zum Schweigen. Zuvor aber weist er den verzweifelten Vater zurecht, der noch einen Hauch von Zweifel in sich trägt („wenn du aber etwas kannst…“), indem er ihm vorhält, dass dem, der glaube, alles möglich sei. Auf diese Zurechtweisung hin ruft der Vater aus: „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“

Warum ist dies einer der wahrsten Sätze der Bibel? Weil es ein ehrlicher Satz ist. Ehrlich, weil er aus der Perspektive eines Menschen gesprochen ist, der noch nicht zum Kreis der Eingeweihten und glaubenstechnisch Abgesicherten gehört, der aber gerne glauben möchte, dass da mehr ist zwischen Himmel und Erde, als es der nackte menschliche Verstand erfassen kann. Der schon einiges versucht hat, dieses Mehr herauszufordern. Der an diesen Versuchen gescheitert ist. Und der doch nicht aufhören will an dieses Mehr zu glauben, damit seine Hoffnung zur Gewissheit wird. Aus diesem Grund versucht er ein Letztes und appelliert er an Jesu Fähigkeiten. Vollends sicher, dass sie ausreichen, ist er auch hier nicht.

Der Mann verkörpert die verzweifelte Dilemma-Situation zwischen „glauben wollen“ und „nicht glauben können“: Ich glaube (weil ich ahne, dass ich loslassen muss von meinen eingebildeten Sicherheiten), aber mein Gefühl kommt nicht nach. Trotzdem oder gerade deswegen bleibe ich bereit, um dieses Gefühl zu bitten: Hilf meinem Unglauben. Hier tut einer was gegen sein besseres Wissen. Er blendet es einen Moment aus und lässt sich in die Arme Gottes fallen.

Dass diese Geschichte so in einem Evangelium steht, zeigt, wie gespalten wir sind. Es zeigt, dass die Wahrheit, ein unsicherer Mensch zu sein trotz aller Glaubensversuche, ausgesprochen werden darf. Der Satz: Ich glaube; hilf meinem Unglauben! ist einer der wahrsten Sätze der Bibel, weil auch ein Mensch ihn aussprechen kann, der nicht schon „mit einem Fuß im Himmel“ steht und trotzdem Gottes Nähe erfährt.

Pfarrerin Susanna Arnold-Geissendörfer, Aschaffenburg

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