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SPRUCH des Monats September

|   Besinnung

Ihr sät viel und bringt wenig ein; ihr esst und werdet doch nicht satt;

ihr trinkt und bleibt doch durstig; ihr kleidet euch, und keinem wird warm;

und wer Geld verdient, der legt´s in einen löchrigen Beutel.

(Haggai 1,6)

 

Der Monatsspruch für September versetzt uns zurück ins Jahr 520 vor Christus. Die Israeliten sind aus dem babylonischen Exil in ihre judäische Heimat zurückgekehrt. Der Perserkönig Kyros, der jetzt in Babylon herrscht, hat ihnen die Rückkehr ermöglicht und sie mit dem Wiederaufbau des zerstörten Tempels in Jerusalem beauftragt. Zu allen Göttern, die von den Völkern in seinem Großreich verehrt werden, soll für den König gebetet werden.

In der ersten Euphorie über die Rückkehr haben sie auch gleich mit dem Tempelbau begonnen und die Fundamente gelegt. Doch dann geriet das Werk ins Stocken. Man brauchte zuerst einmal Wohnungen für die Heimkehrer, Essen und Kleidung, und das soziale Miteinander musste wieder aufgebaut werden. Also wurden Häuser gebaut. Die lange brach liegenden Felder wurden bearbeitet und bestellt, das Vieh geweidet und mit den noch spärlichen Erträgen wurde Handel getrieben.

Der Prophet Haggai prangert das an und wirft seinem Volk vor: “Ihr kümmert euch mit all eurer Kraft um die belanglosen Dinge des Alltags und es kommt nicht viel dabei heraus. Ihr sät viel und bringt wenig ein. Ihr esst und werdet doch nicht satt. Um das Haus Gottes in eurer Mitte, um den Bau des Tempels, kümmert ihr euch nicht! Ihr lasst Gott nicht unter euch wohnen!“

Ist das wirklich Gottvergessenheit, wenn Menschen, die in ein zerstörtes Land zurückkehren, sich erst einmal um die elementaren Bedürfnisse ihres Lebens kümmern?! Dafür sorgen, dass alle ein Dach über dem Kopf haben und Essen auf dem Teller, dass die Erde wieder ihre Fruchtbarkeit entfalten kann, damit Menschen und Tiere davon leben können?! Blühende Landschaften wachsen nicht von selbst auf verbrannter Erde.

Natürlich haben die Israeliten auch den Tempel wieder aufgebaut. Prächtiger und schöner, als er zuvor war. Aber auch dieser Tempel wird nicht bleiben. Er wird die Zeiten nicht überdauern. Auch er wird Jahrhunderte später wieder dem Erdboden gleich gemacht werden und dem Hass und der Kriegswut der Menschen zum Opfer fallen.

Es sind nicht die Tempel und die Kirchen, die Gott braucht, um unter uns Menschen zu wohnen, und die wir brauchen, um Gott nah zu sein und ihm zu begegnen. Sicher, auch wir Christen wollen unsere Kirchen nicht missen. Und wo heute Kirchen aufgegeben und entwidmet werden müssen, da tut das den betroffenen Gemeinden sehr weh. Aber Jesus mahnt uns, anders als der Prophet Haggai, gerade in der gemeinsamen Bewältigung unseres Alltags den Ort unserer Gottesbegegnung zu erkennen. In menschlicher Gestalt begegnet uns Gott in Jesus selbst. Er ist der Tempel, in dem Gott sich uns offenbart. Aber auch in jedem beliebigen Mitmenschen kann und will Gott uns begegnen: in dem Hungrigen, der nichts zu essen hat und auch nichts zu trinken; vielleicht in einem der Brüder von der Landstraße, der für den Winter dringend einen neuen Schlafsack braucht und feste Schuhe; oder er begegnet uns in dem Fremden, der unterwegs ist und eine Bleibe sucht, vielleicht auf der Flucht vor Krieg und Gewalt oder der sich einfach auf seiner Pilgerreise verlaufen hat und keine Herberge findet.

Ja, so beschreibt es Jesus in seinem Gleichnis von Weltgericht, wo über gelungene und verpasste Gottesbegegnung entscheidet: „Was ihr getan habt einem von meinen geringsten Brüdern (und Schwestern), das habt ihr mir getan“. Mit diesem Wort aus Mt. 25 als Wochenspruch gehen wir in die erste Septemberwoche. Und das heißt: Wer an den elementaren Bedürfnissen eines Menschen, der in Not ist, vorbeigeht, der geht an Gott vorbei. Wir müssen keinen Sprung machen über die Jahrtausende und uns in eine andere Zeit hineindenken. Wir sind mitten drin in unserem täglichen Leben, und da findet unser Gottesdienst statt. In der Suppenküche und beim Dienst in der Tafel; in dem Chaos nach der Flutkatastrophe, wo das Wasser Menschen ihr Haus weggerissen oder den Hausrat zerstört hat, und wo Unbekannte einfach zupacken und helfen, den Schutt wegzuräumen oder eine großzügige Spende geben; wo eine die andere in den Arm nimmt, damit sie sich ausweinen kann in ihrem Schmerz und ihrer Verzweiflung. Und auch da findet Gottesdienst statt, wo Menschen als Fremde, die mit leeren Händen kommen, willkommen sind und die Türen und Grenzen nicht dicht gemacht werden mit dem Argument: Das Boot ist voll, wir wollen unter uns bleiben. Überall da, wo wir Menschen in Not nicht allein und ihrem Schicksal überlassen, begegnen wir Gott und können ihm dienen.

Ich liebe die Kirchen, in denen wir Gottesdienst feiern. Ich freue mich über jede evangelische Kirche, die auch am Werktag offen ist und einlädt zur Einkehr und zur stillen Zwiesprache mit Gott. Aber ich glaube Jesus, dass der Hauptgottesdienst draußen stattfindet. Da wo unser Leben pulsiert. Da braucht Gott unseren Dienst mit Hand und Fuß und Herz und Verstand, damit niemand, auch nicht der unter die Räuber Gefallene, auf der Strecke und ohne Hilfe bleibt.

Ulrike Börsch

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Quelle: Myriams-Foto / pixabay.com